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Versöhnung - mehr, als es gut miteinander haben
Rund 60 Personen haben vergangenen Donnerstag an der Tagung zur Versöhnungskultur an der Uni Luzern teilgenommen. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Katechese und dem RPI Luzern griff die Abteilung Bildung des Bistums Basel mit dieser Tagung zum Arbeitsbuch «Versöhnungskultur – Busswege und Versöhnungsfeiern in der Gemeinde» ein brennendes Thema auf.
Von Regula Tschudi, Abteilung Bildung
«Ich bin gekommen, um neue Ideen für die Versöhnungswege in der Pfarrei zu erhalten», so einer der Teilnehmer. «Versöhnung ist mein Lebensthema. Ich bin hier auf der Suche nach neuen Formen für Versöhnungsgottesdienste und Bussfeiern, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene ansprechen. Mit dem Ziel, ihre Schuld ablegen zu können und an der Gewissensbildung im Alltag arbeiten zu können», erzählte ein anderer.
Die Autorin und Autoren des Buches – Nicola Ottiger, Karl Graf, Angelo Lottaz und Beat Zosso sowie Carina Wallimann, Entwicklerin des digitalen Versöhnungsweges 2.1, erklärten, dass es Ziel sei, einen Bezug zur Praxis zu schaffen. Versöhnung solle Thema der Pfarreien werden – als Lebenshilfe.
Wunder der Vergebung als Neuanfang
Den Initiatoren liegt am Herzen, dass alle zusammen in der Kirche eine neue, echte Versöhnungskultur aufbauen – auf allen Ebenen. Ottiger zeigte im Einstiegsreferat auf, dass Schuld, Busse und Versöhnung hochaktuell sind. Die Bedeutung des Themas sei gross, die Verkündigung durch die Kirche aus bekannten Gründen jedoch schwierig. «Wichtig ist, dass man die Thematik nicht auf die Frage der (Kinder-)beichte engführt. Menschen geraten in verschiedenen Lebenssituationen in die Lage, sich mit eigener oder fremder Schuld auseinandersetzen zu müssen. Mit einem autonomen Moralverständnis zu arbeiten, bedeutet, die Gläubigen als mündig anzusehen und sie dort zu unterstützen, wo sie selbst mit Schuld ringen und auf Versöhnung hoffen», erläuterte Ottiger.
Lottaz zeigte auf, dass Versöhnungskultur Menschen brauche, die schuldfähig sind. Menschen, die in der Lage sind, sich selbst zu reflektieren. Diese Eigenschaft entwickle man bereits im Kindesalter. Ein verlässliches, empathisches und wertschätzendes Gegenüber sei dabei für ein Kind von ausschlaggebender Bedeutung.
«Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat». Paulus habe im 2. Korintherbrief von mehr gesprochen als von der Beichte allein. Bei Versöhnung gehe es darum, lebensdienlich mit Differenzen umzugehen. Also mehr als bloss «wir haben es gut miteinander». Man müsse das Wunder der Vergebung als Neuanfang sehen und Differenzen als Chancen zum gemeinsamen Wachstum, so Graf.
Zosso erörterte Versöhnung als aktuelles Thema – nicht nur in den Pfarreien – auch in den Familien. Es sei eine differenzierte Praxisarbeit gefordert, die den Menschen von heute entspreche. Er warf die Frage in den Raum, ob eine Erstbeichte bei der Vorbereitung auf die Firmung sinnvoll sei?
Abschliessend stellte Carina Wallimann den digitalen Versöhnungsweg 2.1 kurz vor. Der Schlüssel sei es, die Adressaten abzuholen. Versöhnung solle das Leben inspirieren, nicht moralisieren.
Jeder trägt Verantwortung
Am Nachmittag nutzten die Anwesenden die Gelegenheit, in fünf Ateliers mit den Referenten/-innen und Teilnehmer/-innen ins Gespräch zu kommen und ausgewählte Themen zu vertiefen.
Im Atelier «Busse und Versöhnung im Lebensprozess – Reflexion aus religionspädagogischer Sicht» erklärte Zosso: «Gott hat einen liebenden Blick, wir müssen uns aber trotzdem mit unserer Schuld auseinandersetzen». Wir seien nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Unser Leben sei ein Geschenk, für welches wir eine Verantwortung hätten. Eine Teilnehmerin brachte ein: «Der Schlüssel beim Versöhnungsweg ist, berührt zu werden. Dann ist es nachhaltig und bleibt nicht nur an der Oberfläche». Jemand anderes erzählte, wie überraschend gross das Bedürfnis zur Beichte bei 8. und 9. Klässlern in seiner Pfarrei gewesen sei.
Angelo Lottaz ging in seinem Atelier auf das «Unfertige Selbste» ein. Die Entwicklung eines Menschen von Kindesbeinen an beeinflusse, ob jemand später überhaupt Schuld und Reue empfinden könne. Dazu brauche man eine Identität, in welcher alle Arten eigenen Erlebens wie beispielsweise Ärger Platz haben, ohne dafür verurteilt zu werden.
Wichtig ist es, zu berühren
Zum Abschluss der Tagung rief Wallimann dazu auf, mutig in die Handlung zu gehen, alte Pfade zu verlassen und Neues zu wagen. Ottiger würde vom ehrlichen Austausch im Atelier gerne auch zum Beispiel in einer Predigt hören oder einen solchen Austausch in der Pfarrei möglich machen. Wo stünden die Seelsorgenden selbst an? Das sei authentisch. Graf war erfreut darüber, dass auf dem Whiteboard mit gesammelten Begriffen überhaupt keine Enttäuschungen aufgeführt wurden. Vor 20, 30 und 40 Jahren hätte da wohl noch viel gestanden, wohingegen heute ein positiver Tenor bezüglich der Versöhnungskultur herrsche.
Eine Tagung in der Kirche, die ohne die Pflege der Frustrationskultur auskomme – das habe heutzutage Seltenheitswert, so ein Teilnehmer. «Ich sehe die Tagung als Kick-off-Veranstaltung für etwas Neues in der Versöhnungskultur, das die Suchenden berührt».