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Schweizer in Prag: "Dezentralisierung, Partizipation und Inklusion"
Geschätzte Anwesende – liebe Geschwister im Glauben
1. Welche Inhalte des Dokuments stehen am intensivsten im Einklang mit den konkreten Erfahrungen der Schweizer Kirche?
Den Ruf nach einer synodalen Kirche beantworten die Gläubigen sehr gerne. Das Dokument für die kontinentale Etappe wurde in allen Schweizer Voten nachdrücklich gelobt. Der jesuanische Grundtenor, die differenzierten Inhalte und die damit verbundenen weltweiten Prozesse der Begegnung, über bisherige Grenzen hinweg, nähren unsere Hoffnung.
Doch diese Hoffnung wird fast täglich durchkreuzt durch verstörende Nachrichten zu sexuellem, spirituellem und finanziellem Missbrauch in der Kirche. Das sind Verstösse gegen das christliche Liebesgebot.
Die Zeit drängt: Wir sehen die Notwendigkeit einer echten Umkehr! Deshalb ist die jet-zige synodale Erfahrung für Viele ein wichtiges Hoffnungszeichen und bestärkt sie in der gemeinsamen Suche nach glaubwürdigen neuen Wegen.
Dazu gehört die Anerkennung der Würde und Berufung aller getauften Menschen, insbesondere der Frauen. Christus begegnet uns in jedem Menschen. Die Kirche wird in der öffentlichen Wahrnehmung in weiten Teilen unseres Landes als ungerecht gegenüber Frauen wahrgenommen. So kann die Kirche ihren missionarischen Auftrag nicht glaubwürdig wahrnehmen.
Die starke Betonung des missionarischen und diakonischen Auftrags der Kirche im Dokument für die kontinentale Etappe wird sehr geschätzt. Die Kirche soll dem Ruf folgen, aktiv auf die Menschen zuzugehen und sie nach Jesu Vorbild bedingungslos anzunehmen, in ökumenischer Zusammenarbeit und unter Berücksichtigung des Kenntnisstands biblischer, theologischer und humanwissenschaftlicher Reflexion.
A. Dezentralisierung und Partizipation
Unsere Versammlung hier in Prag wird in der Schweiz mit der Erwartung der Dezentralisierung verknüpft. Die Kirche soll künftig in den Regionen mehr Eigenverantwortung wahr-nehmen können. Nur in lokalen, gelebten Kontexten wird die Partizipation aller Getauften am christlichen Leben konkret und direkt.
Seit vielen Generationen haben wir in einigen Bistümern der Schweiz positive Erfahrungen mit Strukturen der Mitbestimmung. Sie entsprechen der Tradition unserer demokratischen Kultur und wurden auf die Kirche hin angepasst. Kernpunkte sind qualifizierte Beratung und die Suche nach Konsens. Wir üben uns bei Dissens und Streitfragen in Entscheidungsfindungsprozessen mit einer offenen, transparenten Dialogkultur. Der synodale Prozess ermutigt uns, laufend an diesen Prozessen zu arbeiten. Die Frage nach partizipativer und verantwortlicher Leitungsmacht ist dabei ein zentrales Prüfsiegel für die Glaubwürdigkeit einer synodalen Kirche.
Dankbar zeigen sich viele Voten über die Blickrichtung des Dokumentes auf bedrängende Krisen der Gegenwart. Wir denken besonders an die existentiellen Krisen, Bewahrung der Schöpfung, Klimagerechtigkeit, Kriege, Armut und Krankheit. Als Kirche in der Schweiz können wir uns in diesen Krisen nur glaubwürdig engagieren, wenn wir auch unsere internen Probleme bearbeiten und lösen.
2. Welche wesentlichen Spannungen sind aus Sicht der Schweizer Kirche besonders wichtig?
B. Anerkennung der vollen und gleichberechtigten Taufwürde - Inklusion
Frauen, Jugendliche, queere Menschen, Arme, Flüchtende, Menschen anderer Herkunft, Kranke und Menschen mit Behinderung finden in der Kirche kaum Möglichkeit zur Partizipation.
Der bislang weitgehende Ausschluss der Frauen aus Leitungspositionen und die generelle Unmöglichkeit der Zulassung zu einem Weiheamt führen bei vielen engagierten Frauen und Männern zu Resignation und Distanzierung.
Ähnliches gilt für die Erfahrungen, die queere Menschen machen.. Sie fühlen sich in unserer Kirche, oft leider zurecht, abgelehnt, entwürdigt und diskriminiert. Sie wünschen sich sichere Begegnung und ehrlichen Dialog auf Augenhöhe.
Das Fernbleiben der Jugend - schauen Sie in die Runde - zeigt uns, dass die Kirche aktiv auf sie zugehen und ihre Ausdrucksmittel, ihre Sprache und ihre Lebens-weise berücksichtigen soll. Die Kirche muss lernen, sie zu verstehen, denn Gott spricht auch durch sie, und sie sind die Zukunft der Kirche.
Die Liturgie als Erfahrungsort der Gottesbegegnung braucht eine verständliche und realitätsnahe Sprache. Nur so können alle Menschen, in all ihren verschiedenen Lebensrealitäten Gott, erfahren.
3. Welche Themen und Handlungsaufforderungen sollen auf der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden?
Die Schweizer Voten begrüssen die zahlreichen Themen, die als synodale Arbeitsaufgaben umrissen sind. Alle erwähnten Themen bleiben wichtig. Vordringlich ist das Thema der Synodalität selbst. Sie nimmt in den Fragen der Gläubigen konkrete Gestalt an. Ein Grossteil der Voten aus der Schweiz kann nicht verstehen, dass die Kirche Gal 3,28 lehrt und gleichzeitig auf den Dienst vieler Menschen, die den Ruf verspüren, verzichtet, weil sie nicht als Diakonin oder Priesterin wirken können. Deswegen müssen die kommenden Synodenversammlungen die Rolle der Frau in der Kirche unter Mitwirkung von Frauen beraten und konkrete weitere Schritte entscheiden.
Wichtig ist für die Schweizer Voten ebenso die Frage der Partizipation mit Überprüfung der kirchlichen Entscheidungsprozesse. Diese können im Sinne der Subsidiarität aus unserer Erfahrung sehr gut dezentral gestaltet werden. Die Kirche darf in den Alpen ein anderes Gesicht zeigen als an der Ostsee oder am Schwarzen Meer.
Lassen wir den Heiligen Geist die Kirche erneuern, damit das Reich Gottes unter uns lebendig wird.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Bischof Felix Gmür, Präsident Schweizer Bischofskonferenz
Helena Jeppesen-Spuhler, Delegierte
Tatjana Disteli, Delegierte