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Kirchenkommunikation ist Risikokommunikation

Medienkonferenz über den Trend zum Alterssuizid. (Von rechts: Bischof Felix Gmür, Wolfgang Bürgstein, Generalsekretär Justitia et Pax, und Hansruedi Huber, Kommunikationsverantwortlicher Bistum Basel)

Auf den ersten Blick mögen Aussenstehende über die vielen Konflikte irritiert sein, die aus der Kirche an die Öffentlichkeit dringen. Sollte es bei Christinnen und Christen nicht anders sein? Auch überrascht, dass gerade Mitarbeitende gegenüber der Institution teils wenig Loyalität zum Ausdruck bringen. Personen oder Gruppen verschiedener Couleur führen Kampagnen gegen Normen, Andersdenkende, Bischöfe oder Papst. Aus medialer Sicht sieht man auf einen grossräumigen und zeitlich dauernden Konfliktschauplatz. Es geht um Macht und Einfluss, Glaubensräume, Aufarbeitung der Vergangenheit, Erneuerung, Zukunft und um einen Ausweg aus der Krise – einer Identitätskrise!

Als ehemaliger Kommunikationsverantwortlicher von börsenkotierten Unternehmen war dieser kirchliche Umgang für mich zuerst ein Schock, denn für Unternehmen sind Marke und Image von vitaler Bedeutung. Öffentlich ausgetragene Konflikte sind äusserst unerwünscht. Es dauerte lange, bis ich verstand, dass der gemeinsame Glaube «als kirchliches Produkt» nicht mit einer Gasturbine oder einem Genussmittel vergleichbar ist, und dass die Kirche trotz institutionellem Rahmen nicht wie ein Unternehmen funktioniert. Ich habe gelernt, dass der Glaube etwas Vielschichtiges ist und sich als Produkt nicht dingfest machen lässt: Der Glaube bleibt volatil. Es weht der Heilige Geist – eine Unruhe, die sich kaum zähmen lässt. So liefert das Produkt durch seine eigene Prozesshaftigkeit die Voraussetzungen für Streitigkeiten und ein «kreatives Chaos».

Bibel und Kirchengeschichte dokumentieren, dass Krisen und Konflikte dazu gehören. Die kirchliche Kommunikation kann deshalb kaum auf äussere Harmonie ausgerichtet sein, nur des guten Rufes und des Selbsterhalts wegen. Es geht um mehr, um Überzeugungen, Identität, Wahrheit und gutes Leben für alle! Wie Jesus in Matthäus 10,34 sagt: «Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.» Auch wenn dieses Zitat in einem grösseren Zusammenhang gesehen werden muss, sagt es doch einiges. Der Glaubensweg ist kein Produkt des «Zufalls». Er fordert Offenheit, Risikobereitschaft, Loslassen und Entscheidung. Das sind keine Tugenden, die einen Rahmen suchen, der von Regeln und Ordnung geprägt ist. Das steht im Widerspruch zum institutionellen Charakter der Kirche, der als Plattform für geistliche, personale und finanzielle Ressourcen wichtig ist und eine identitätsstiftende Kommunikation bedingt. Im Konflikt zwischen Tradition und Fortschritt ist Papst Franziskus mit dem synodalen Prozess ein kommunikationstechnischer Schachzug gelungen. Denn die Einladung zu einem weltweiten, öffentlichen Entwicklungsdiskurs steht nicht nur für Transparenz, die Vertrauen schafft, sondern lässt die ganze Gesellschaft an der Entwicklung teilhaben, was wiederum die christliche Mission portiert. Hier unterscheidet sich der kirchliche «Kernauftrag» nochmals deutlich von anderen: Es ist ein kommunikatives Produkt und echte Kommunikation bleibt ein Risiko.

Hansruedi Huber

SKZ 07/23, Sondernummer Kirchenkommunikation