News

Es braucht Probierräume und mutige Vorschläge

Bistumsanlass April 2023
Bischof Felix Gmür, Tatjana Disteli und Helena Jeppesen (v.l.) berichteten von ihren Begegnungen mit den anderen europäischen Delegierten in Prag. Foto: Marie-Christine Andres

Von Marie-Christine Andres, Horizonte

  • Die Kirchen in Europa unterscheiden sich stark und entwickeln sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Umkehr und Erneuerung tun not, doch der weltweite synodale Prozess ist komplex und braucht Zeit.
  • Was folgt aus diesen Erkenntnissen der Schweizer Delegierten von der Kontinentalsynode in Prag für den synodalen Prozess im Bistum Basel?
  • Rund 100 Personen aus dem Bistum Basel kamen am Mittwoch, 19. April, nach Aarau, um die Berichte der Delegierten aus Prag zu hören und ihre eigenen Ideen in den laufenden synodalen Prozess einzubringen.

«Erschrecken Sie nicht!» Mit dieser Warnung begann Tatjana Disteli ihren persönlichen Rückblick auf die Kontinentalsynode in Prag. Die Generalsekretärin der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau war zusammen mit Bischof Felix Gmür und Helena Jeppesen vom Hilfswerk Fastenaktion als Delegierte in Prag. Die drei hatten Anfang Februar an der Kontinentalsynode teilgenommen und berichteten am Mittwochabend, 19. April, in der Kirche Peter und Paul in Aarau von ihren Erkenntnissen.

Disteli erklärte, dass die Versammlung in Prag die tiefen Verletzungen und den dramatischen Verlust der Glaubwürdigkeit der Kirche durch die Missbrauchsfälle erkannt habe. «Der synodale Prozess ist der Weg der Einsicht und der Umkehr. Der Wille zur Erneuerung war bei allen Beteiligten spürbar. Ich erlebte in den Begegnungen mit den anderen europäischen Delegierten eine nie dagewesene Offenheit. Es waren heilsame Begegnungen.» Sie gab aber auch zu bedenken, dass die Schweiz erst am Anfang der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle stehe. «Doch ich glaube seit Prag wieder daran, dass wir das Steuer herumreissen und neu lernen können, Kirche zu sein.»

Das Verbindende betonen und dezentrale Lösungen suchen

Die kontinentale Versammlung in Prag habe vor allem gezeigt, dass es nur schon innerhalb Europas «viele verschiedene Realitäten von Kirche» gebe, wie es die Online-Delegierte Mentari Baumann formulierte. Auch Bischof Felix Gmür erwähnte im Rückblick auf Prag die Diversität und die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen die europäischen Kirchen unterwegs seien. Man müsse jedoch nicht das Trennende betonen und von Spaltung sprechen, erklärte der Online-Delegierte Felix Terrier, sondern vielmehr fragen, was uns alle im Glauben verbinde. Dazu komme, wie Helena Jeppesen sagte, dass die katholische Kirche in der Schweiz durchaus ein anderes Gesicht haben dürfe als am Schwarzen Meer. Lösungen könnten an verschiedenen Orten unterschiedlich aussehen. «Probierräume» habe eine österreichische Delegierte in Prag gefordert, diese erschienen ihr sinnvoll.

«Synodal» ist Haltung und Methode

Einen synodalen Prozess im Miniformat haben die zehn Online-Delegierten gemacht, die während der Synode in Prag in der Propstei Wislikofen zusammenlebten und die Vorträge am Bildschirm verfolgten. Der Online-Delegierte Felix Terrier erlebte das Zusammensein als gutes Lernfeld: «Wir mussten nach dem Ankommen in Wislikofen erst einmal lernen, wie wir uns organisieren und unsere Zusammenarbeit gestalten.» Ebenso müssten wir alle zuerst lernen «synodal» zu denken und zu handeln.

Die Online-Delegierte Renata Asal-Steger machte deutlich: «Zuhören allein reicht heute nicht mehr aus. Es müssen Taten folgen. Die Zeit läuft uns ebenso davon wie die Gläubigen, die unsere Kirche in Scharen verlassen

Zwischen Aufbruch und Resignation

Der Abend in Aarau zeigte, dass der synodale Prozess Hoffnung und gar Begeisterung hervorruft, aber auch, dass sich über die vergangenen Jahre viel Frust angesammelt hat, der die aufkeimende Hoffnung immer wieder dämpft. Dieser Zwiespalt zwischen Aufbruch und Resignation artikulierte sich in den persönlichen Rückblicken der Delegierten auf die Kontinentalversammlung in Prag, aber auch in den Diskussionen in Kleingruppen. Namentlich die Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern ist ein Schritt, der nach der Meinung der in Aarau Versammelten überfällig ist. «Erst wenn die Frauen zugelassen sind zu den Ämtern, können wir wieder von glaubwürdiger Kirche sprechen», sagte Renata Asal-Steger. Natürlich würde die Weihe von Diakoninnen und Priesterinnen nicht alle Probleme lösen, sagte Mentari Baumann, «doch es würde helfen.

Mindestens das Diakonat für Frauen

Wie bereits in früheren Statements betonte Bischof Felix auch in Aarau: «Ich werde im Herbst nach Rom gehen und mich dafür einsetzen, dass mindestens das Diakonat für Frauen kommt. Aber der 'Probierraum' kann nicht nur die Schweiz sein, das muss mindestens westeuropäisch sein.»

Der Bischof ärgert sich

Dass sich auch beim Bischof ein gewisser Frust angesammelt hat, zeigte seine Reaktion auf die Rückmeldungen aus den Diskussionsgruppen. Auf den Zetteln standen Dinge wie «Ökumene», «Synodales Führen einüben», «Es braucht die Vertretung von Migranten» oder «Wir haben die Jugend verloren», was Bischof Felix Gmür mit den Worten kommentierte: «Um diese Kirche muss es schlecht bestellt sein, denn das klingt alles nicht sehr anmächelig.» Er beklagte, dass bei vielen Kirchenmitgliedern die Einsicht fehle, dass die Situation der Kirche sich verändert habe: «Viele tun so, als seien die Kirchen noch immer überall jeden Sonntag voll, das ärgert mich.» Aus den Worten des Bischofs liess sich der Frust über die Widerstände bei der Errichtung der Pastoralräume raushören. Da hiesse es immer, Rom solle vorwärts machen, dabei sollten wir gescheiter überlegen, was wir selbst besser machen könnten, forderte der Bischof.

«Dieses Ding ist nicht mehr zu stoppen»

Das täten die Menschen in den Pfarreien sehr wohl, entgegnete Vroni Peterhans, Katechetin im Pastoralraum am Rohrdorferberg und Präsidentin der europäischen Allianz katholischer Frauenverbände andante, dem Bischof. Sie verstehe nicht, warum die Rückmeldungen aus den Diskussionsgruppen so negativ verstanden würden. Sie und viele andere nähmen sich nicht aus der Verantwortung, im Gegenteil, sie kämpften in ihrem Bereich seit Langem für die Teilhabe aller, die Ökumene und die Bewahrung der Schöpfung.

Der Wortwechsel zeigte, wie wichtig es ist, genau zuzuhören, nachzufragen, zu diskutieren, manchmal auch zu streiten, aber immer im Dialog zu bleiben. Helena Jeppesen sagte: «Uns ist aufgegangen, dass wir über den synodalen Prozess reden müssen. Und fügte – im Rahmen einer Anekdote aus Prag – den Satz an: «Dieses Ding ist nicht mehr zu stoppen.»