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Ein kleiner Moment der Erkenntnis Gottes im Menschen
Beim Ostergottesdienst in Solothurn predigte Felix Gmür, Bischof von Basel, über die „Magdalenensekunde“. Maria Magdalena sah in einem kurzen Moment den auferstandenen Christus. Sie erkannte Gott – und sich selbst.
Von Jacqueline Straub, kath.ch
„Wo ist Gott?“, fragte Bischof Felix Gmür in seiner frei vorgetragenen Predigt. Und antwortet direkt drauf: „Gott ist im Menschenfleisch. Gott ist präsent im Menschen.“ An Ostern werde die Botschaft beglaubigt, dass Gott da ist. Zwei Aspekte des Osterevangeliums „berührten“ ihn besonders: Zum einen, dass Jesus normal begraben wurde. Denn in der Ukraine, aber auch in anderen Ländern der Welt, werden Menschen nicht mehr normal begraben. „Menschen werden liegen gelassen“, kritisierte er. Dass Maria Magdalena am Grab war und wie sie reagierte, berührte den Bischof von Basel ebenfalls. „Ihr bleibt keine andere menschliche Regung als das Weinen. Sie kann es nicht fassen.“ Denn ihr liebster Mensch ist ihr weggenommen worden. „Und wenn sich Gott im Menschen zeigt, wie wir es an Weihnachten feiern, dann wurde ihr auch Gott weggenommen. Sie ist allein.“ Bischof Felix Gmür kam in seiner Predigt auf den deutschen Schriftsteller und Regisseur, Patrick Roth, zu sprechen. Er habe in Hollywood an einer Schauspielschule diese biblische Szene von der Begegnung der Maria Magdalena mit dem auferstandenen Christus von Schülerinnen und Schülern nachspielen lassen. Dabei wurde der Gruppe bewusst, dass Maria Magdalena den vermeintlichen Gärtner vom Grab aus gar nicht sehen konnte, da ihr die Sonne ins Gesicht geschienen habe. „Sie kann nur eine Silhouette gesehen haben“, sagte Bischof Felix Gmür. In dem Moment, in dem Jesus die Frau beim Namen nennt, dreht sie sich um. „Oder sie dreht sich weg“, sagte Bischof Felix Gmür. Patrick Roth nennt dieses kurze sich Wegdrehen die „Magdalenensekunde“. Maria Magdalena erkennt in dieser Sekunde den Auferstandenen. „Sie sieht für einen ganz kleinen Augenblick den, dem sie gefolgt ist, der ihre große Liebe ist.“ Sie nennt den Auferstandenen Rabbuni, was in der rabbinischen Literatur ein Wort für einen göttlichen Menschen ist. „Und dann dreht sie sich ab. Sie muss sich abdrehen.“ Denn in der Bibel heißt es, dass keiner Gott je gesehen habe.
Entscheidende Momente auskosten
„Ganz kurz scheint Gottes Gegenwart im Menschenfleisch auf, in diesem Jesus, der bei Gott ist.“ In dieser einen Sekunde erkannte Maria Magdalena, dass der Auferstandene tatsächlich Mensch ist und Mensch bleibe. „Und sie erkennt gleichzeitig sich selbst“, sagte Bischof Felix Gmür. „Die Magdalenensekunde ist ein kleiner Moment der Erkenntnis Gottes im Menschen.“
Der Glaube lebe von ganz wenigen, aber entscheidenden Momenten. „Die wenigen entscheidenden Momente, die Magdalenensekunden, dürfen wir auskosten. Gott hat ein Medium, das ist der Mensch.“
Bischof Felix Gmür wünschte am Ende des Ostergottesdienstes allen Teilnehmenden, dass sie ebenfalls solche Sekunden der Erkenntnis dessen haben, wer wir sind, wer Gott ist, was uns das Leben bringt, welche Hoffnung wir haben.