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75 Jahre Heiligsprechung von Bruder Klaus
Am Fest Christi Himmelfahrt, am 15. Mai 1947, sprach Papst Pius XII. im Petersdom Niklaus von Flüe heilig. Das veranlasst uns, über den Heiligen mit Bodenhaftung, den Friedensstifter, Beter und Berater nachzudenken. Professor Gasser wird über ihn am 11. Mai um 19.15 Uhr in der Hofkirche Luzern sprechen.
Von Prof. Dr. em. Stephan Leimgruber
Zur Heiligsprechung sind Tausende katholische Frauen und Männer, ganze Familien und einige reformierte Mitchristen nach Rom aufgebrochen. Der Chor von St. Peter sang im Festgottesdienst eine moderne Messe vom Schweizer Komponisten und Dirigent Benno Ammann (1904-1986). Das diplomatische Corps war anwesend und Bundesrat Enrico Celio (1889-1980) in Zivil im Kirchenvolk. Selbstverständlich war die über hundert Mann zählende Schweizer Garde mit ihren farbigen Uniformen omnipräsent. Zentrale Aussage des Papstes im Festgottesdienst war: «Wir beschliessen und entscheiden, dass Niklaus von Flüe ein Heiliger ist.» In der tags darauf folgenden Generalaudienz würdigte Papst Pius XII. den Schweizer Heiligen in deutscher, französischer und italienischer Sprache. Diese Ansprache, kann als Schlüssel für das damalige durchaus patriotische Verständnis des Heiligen dienen! Und schliesslich feierte die Schweiz ihren neuen Heiligen zehn Tage nach der Heiligsprechung, am folgenden Pfingstfest, den 25. Mai 1947, in der Dorfkirche Sachseln. Leiter des Gottesdienstes war der damalige Nuntius, Erzbischof Dr. Filippo Bernardini, angetan mit einem kostbaren Ornat, gestiftet vom Kanton Obwalden. Hierbei erklang die Uraufführung der Messe von Johann Baptist Hilber durch den Kirchenchor Sachseln.
Papst Pius XII. charakterisierte in seiner Audienz – Niklaus von als «einzigartige Gestalt», welche der Kirche Christi «grosse Genugtuung» und «Freude» bereitet. Er wusste, dass er «Kriegsmann im Dienste des Vaterlandes» war, später «Rottmeister und Hauptmann», sogar «Richter und Tagsatzungsgesandter». Erst mit fünfzig Jahren zog er sich von der Welt zurück. Der Papst erwähnte seine «blühende Familie von zehn Kindern» und betonte, dass «auch der Name seiner Gattin in Ehren genannt zu werden» verdiene, denn Sie habe «mitgewirkt», am segensreichen Tun des «Retters des Vaterlandes». Aus den zwanzig Jahren im Ranft kristallisierte Pius XII. drei Schwerpunkte heraus: Erstens hatte sich Bruder Klaus ausgezeichnet durch ein Leben strengster Busse und des Verzichts, um nur mit Gott zu leben. Doch diese Abgeschiedenheit und stete Umkehr zu Gott wurde dem Volk insofern zum Segen, als Menschen «von nah und fern» zu ihm kamen, um sich seinem Gebet zu empfehlen», darunter auch «Bischöfe und Äbte, Erzherzöge und Grafen». Aus der Mystik heraus speiste er zweitens seine Ratgebertätigkeit. Diese war persönlich-individuell und politisch «über die engen Grenzen des Kantons hinaus auf das Wohl des Ganzen schauend». In diesem Sinne sei er anlässlich des Stanser Verkommnisses drittens zum «Retter des Vaterlandes» und zum «Friedensstifter» geworden. Er habe sich zwanzig Jahre allein vom «Brot der Engel» (gemeint ist das eucharistische Brot) ernährt. So ermutigte der Papst die Schweizerinnen und Schweizer: «Folgt Nikolaus von Flüe nach! Nicht zuletzt im eifrigen Gebet. Dann erst könnt ihr in Wahrheit sagen, dass er ein Heiliger ist». Die Heiligsprechung des Niklaus von Flüe fand noch unter dem gefühlten Eindruck des Kriegs statt, insofern die Schweiz von diesem Krieg bewahrt wurde. Den Dank dafür stattete man nicht selten Bruder Klaus als Beschützer des Vaterlands ab.
Interkonfessionelle Irritationen
Unglücklicherweise gab es im Zusammenhang mit der Heiligsprechung interkonfessionelle Verstimmungen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Hauptkonfessionen damals in einem gegenseitigen Konkurrenzverhältnis standen. Die Kulturkampfzeit brachte Nachwehen bis über die beiden Weltkriege hervor. Die reformierten Mitchristen dominierten in den Städten Zürich, Bern, Basel und Genf, wo sich die Katholiken unterlegen fühlten, in Minderheit und in den reformierten Kantonen noch nicht öffentlich anerkannt waren. Es war die Zeit vor der Gründung des Ökumenischen Rats der Kirchen (1948) und vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Der damalige Diasporakatholizismus nahm teilweise kämpferische Züge an. Einige Chrstinnen und Christen reformierter Konfession befürchteten nun, dass die Heiligsprechung des Niklaus von Flüe einer katholischen Vereinnahmung des Ranftmystikers gleichkäme. Sie betonten indessen, dass Bruder Klaus ein vorreformatorischer Heiliger sei, den sowohl Huldrych Zwingli wie Heinrich Bullinger sehr schätzten. Sie wollten den Obwaldner Seligen durchaus anerkennen, ohne ihn aber zur Ehre der Altäre (Roms) zu erheben. Mittlerweile ist dieser Vorwurf der Vereinnahmung entkräftet worden. Die beiden Konfessionen leben in ökumenischer Weggefährtenschaft und teilen Freud und Leid der Kirchen im 21. Jahrhundert. Es gab eine grosse Mitarbeit der Reformierten anlässlich des 600. Geburtstags von Bruder Klaus 2017. Doch halten unsere evangelischen Geschwister daran fest, dass Heilige verehrt und niemals angebetet werden sollen – was gewiss auch katholischem Heiligenverständnis entspricht. Heilige dürfen niemals die alleinige Mittlerschaft Jesu verdunkeln! Bruder Klaus, der «Liebhaber des Friedens», darf und soll – gerade in dramatischer Kriegszeit – , als Friedensstifter und Fürsprecher bei Gott angerufen werden. Zu ihm in den Ranft pilgern tut einfach gut!