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Urs sagt Nein

Vor bald 50 Jahren fragte ich meine Eltern: Warum heisse ich eigentlich Urs? Meine Mutter sagte: Weil Urs ein schöner Name ist. Und mein Vater ergänzte: Und Urs ist der Patron des Bistums Basel. Meine Mutter erzählte mir viel später, dass ich eigentlich einen anderen Vornamen hätte, der aber bereits einem Arbeitskollegen meines Vaters «gehörte». So lernte ich, dass eine Aussage nicht die ganze Wahrheit sein muss. Ich bin meinen Eltern dafür und für meinen Vornamen Urs dankbar.

Der heilige Urs ist historisch nicht genau fassbar, spielte aber in der Wirkungsgeschichte für den Glauben und die Kultur unseres Landes eine grosse Rolle. St. Urs war ein Migrant aus dem nordostafrikanischen Raum und stand in feindlichem Umfeld für den christlichen Glauben ein. Zusammen mit Viktor gehörte Urs ums Jahr 300 der thebäischen Legion an – eine Heereseinheit des Römischen Reiches, die aus Christen aus dem heutigen Ägypten bestand. Beide flohen vor einem Massaker in St. Maurice nach Solothurn. Hier wurden sie vom Statthalter festgenommen und getötet, da sie den römischen Göttern nicht opfern wollten. Nach ihrer Enthauptung auf der Aarebrücke nahmen ihre Leiber gemäss der Legende den Kopf unter den Arm und schwammen zu einer Bucht, wo sie an Land stiegen und von der ansässigen christlichen Gemeinde ehrenvoll beerdigt wurden. Seit dem 5. Jahrhundert werden Urs und Viktor in Solothurn verehrt. Sie sind Patrone der Kathedrale und des Bistums Basel.

Die Bistumsheilige Verena soll die Verlobte von Viktor gewesen und der Legion gefolgt sein – wie viele andere Frauen auch. Sie sei bei der Bestattung der Märtyrer in Solothurn dabei gewesen und habe danach als Eremitin in einer Schlucht ein Leben des Fastens und Betens geführt und vom Verkauf ihrer Handarbeiten gelebt. Vor ihren vielen Bewunderern floh Verena schliesslich und liess sich auf einer Insel nahe Zurzach nieder, wo ihr Grab im Verenamünster verehrt wird.

Heiligenlegenden haben nicht das Ziel, Historisches faktengenau wiederzugeben. Sie sind wie Fenster, durch welche die Gegenwart Gottes in unser Leben hineinscheint. Vieles aus den Legenden um St. Urs , St. Viktor und St. Verena ist historisch umstritten, etwa die Existenz der thebäischen Legion. Dennoch zeigen diese Legenden Wichtiges auf: Die christliche Kultur, oft als Argument gegen einwandernde Migrantinnen und Migranten ins Feld geführt, hat dank Migranten ihre Grundlage in unserem Land. Stärke und Identität im persönlichen Glauben sind Qualitäten, die nicht von Nationen und Grenzen abhängen. Zudem regen diese Legenden an, sich wie Urs und Viktor im Hier und Jetzt zu fragen, welche Konsequenzen wir aus dem Glauben an Jesus Christus ziehen. Zu welchen Göttern sagen wir NEIN?

Urs Brunner, Pastoralverantwortlicher des Bistums Basel, 2014 - 2018