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Therwiler Stephanskirche: Ein Frauendenkmal für die Jahrhunderte

Corinne Güdemann, Acht Frauen, 2019, zweiteilige Arbeit, Therwil, Kirche St. Stephan, ©Corinne Güdemann“

Zusammen mit den Projektverantwortlichen Elke Kreiselmeyer, Jutta Achhammer, Philippe Moosbrugger und Ralf Kreiselmeyer segnete Generalvikar Markus Thürig am 17. November die neu renovierte Barock-Kirche St. Stefan in Therwil ein. Im Zentrum stand das neue Kunstwerk «Acht Frauen», das Künstlerin Corinne Güdemann acht frühchristlichen Amsträgerinnen gewidmet hat, die als Apostelinnen, Diakonninen, Prophetinnen jahrhundertelang in Vergessenheit geraten sind und nun wieder ein Gesicht erhalten haben.  

Als «kunsthistorische und theologische Sensation» bezeichnet Prof. Dr. Johannes Stückelberger, Vorsitzender der Therwiler Kunstkommission, das moderne Werk, das an acht frühchristliche Amtsträgerinnen erinnert. Zu sehen sind die «Acht Frauen» gleich zweimal: Auf einem Fresko sind acht Frauen in heutiger Kleidung dargestellt, die an einem langen Tisch Brot und Wein miteinander teilen. Um das Gemälde dauerhaft einzulassen, wurde die hintere Wand des Kirchenschiffes extra für das Werk aufgebrochen. Auf der Brüstung der ChorEmpore stehen in acht Kassettenfeldern die Namen der Amtsträgerinnen, an die das Gemälde erinnern soll: Maria aus Magdala, Martha, Phoebe, Junia, Lydia, Thekla, Priska und Die Namenlose.

Die zeitgenössischen Frauen erscheinen wie freigelegt unter dem alten Verputz, obgleich die Rolle der aktiven Christinnen über Jahrhunderte vertuscht wurde – das Kunstwerk macht Betrachterinnen und Betrachter zu Zeuginnen und Zeugen ihrer Wiederentdeckung.
Bibelforschungen belegen: Zu Jesu Zeiten und in seiner Nachfolge waren diese Frauen hoch angesehen und übernahmen mit Autorität verantwortungsvolle Führungspositionen in den ersten christlichen Gemeinden. Ohne ihr Engagement und ihren Mut hätte sich die damals neue Religion nicht entwickeln können. Doch in den folgenden Jahrhunderten wurde ihre Bedeutung heruntergespielt, verleugnet, ja selbst die Bibel bewusst falsch übersetzt. So wurde aus der Apostelin «Junia» in der Westkirche der männliche Apostel «Junias», die «Diakonin» Phoebe zur «Dienerin» gemacht. Die Geschichte jeder einzelnen der acht Frauen sowie den theologischen und kunsthistorischen Hintergrund des Werkes veröffentlicht die Gemeinde in einer eigens publizierten Broschüre.

«Mit unserem Kunstwerk in Therwil heben wir einen verborgenen, tief vergrabenen Schatz und geben Frauen ein Gesicht, ohne die es unser heutiges Christentum nicht gäbe», freut sich Theologin Jutta Achhammer.
Zuvor gab es eine intensive Diskussion in der katholischen Gemeinde, an deren Ende die Mehrheit der Mitglieder befand: Stellvertretend für alle Frauen, die sich seit biblischen Zeiten im Christentum engagieren, sollen in unserer Kirche diese acht Frauen dauerhaft einziehen. Beim ersten Ansehen spricht Esther, 46, aus Therwil den Gemeindemitgliedern aus dem Herzen, als sie jubelt: «Endlich erhalten die Frauen ihren Platz in der katholischen Kirche – wunderbar! Danke!».

Von Mai bis Oktober 2019 wurden die Innenräume der barocken Kirche St. Stephan, die aus dem Jahr 1628-31 stammt, restauriert. Im Zuge dieser Renovationen wurde auch eine Neugestaltung beschlossen und zum Wettbewerb ausgeschrieben. Diesen gewann die Züricher Künstlerin Corinne Güdemann mit dem überzeugenden zweiteiligen Werk «Acht Frauen» an der hinteren Wand und der Emporen-Brüstung. Mit ihm wird das reiche Figurenprogramm des Kirchengebäudes nach mehr als 230 Jahren erstmals erweitert. Die gesamte Kirche erstrahlt nun, nach den intensiven Renovationen 2018 aussen und 2019 innen, im neuen Glanz. Mit einer feierlichen Einsegnung durch den Generalvikar Markus Thürig wird die Kirche St. Stephan am 17. November wiedereröffnet.

«Wir sind stolz, dass alle Mädchen und Frauen, die sich heute für das Christentum stark machen, sich im Kunstwerk der Acht Frauen in unserer Kirche wiedererkennen und in ihrem Engagement getragen wissen können», sagt Elke Kreiselmeyer, die das Projekt als Gemeindeleiterin in Therwil realisierte.
Als die Kirche am 19. Oktober 1631 erstmals geweiht wurde, hätte der damalige Fürstbischof die Weihe persönlich vornehmen wollen. Da sich aber gerade der Krieg dem Bistum näherte, entschloss er sich, diesen Akt durch seinen Generalvikar vollziehen zu lassen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass auch die zweite Segnung der Kirche wieder vom Generalvikar erfolgte. «Als wir mit der Baukommission einmal oben auf dem Gerüst unter der Decke dieser Kirche standen, wurde uns bewusst, dass die Zeiten heute ähnlich sind. Wir stehen an einem Scheideweg, die Skandale der letzten Jahre haben das Vertrauen vieler Menschen in ihre Kirche zerstört und nicht wenige geben die Hoffnung auf und verlassen die Kirche», sagt Elke Kreiselmeyer.

«Acht Frauen – vier Ströme lebendigen Wassers – ein Messias: Ich bin die Auferstehung und das Leben!»
In seiner Homilie spiegelte Generalvikar Markus Thürig das Kunstwerk aus Sicht der Wirkung auf dessen Betrachter und verglich sie mit der Wirkung historischer Frauen wie Martha, deren Glaube Jesus vor Lazarus Grab zur Aussage provozierte: «Ich bin die Auferstehung und das Leben». Markus Thürig segnete Kirche und Kunstwerk. «Die Kirche Sankt Stephan solle eine Pforte zur himmlischen Stadt Jerusalem sein und alle durch das Vorbild der frühchristlichen Zeuginnen stärken, die sich an ihre Treue erinnern und ihren Beitrag zur Verbreitung der Botschaft Christi würdigen.»

Hansruedi Huber, Kommunikationsverantwortlicher Bistum Basel