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Pfarrer unter der Zirkuskuppel

Sommer und Herbst ist Zirkuszeit. Auch im Bistum Basel sind die Zelte und Wagen von Knie, Monti und Co. zu sehen, und die Artisten, Clowns und Wärter laufen zu Hochform auf. Etwas verborgener ist der Circuspfarrer im Einsatz: Er begleitet die Zirkusleute spirituell, er tauft, segnet und feiert Gottesdienste in der Manege. Aber nicht nur das: Im Interview erzählt Circuspfarrer Adrian Bolzern von seinem Beruf hinter den Kulissen der glitzernden Zirkusnummern.

Interview: Anouk Hiedl

Adrian Bolzern, haben Sie als Circuspfarrer einen eigenen Zirkuswagen?

Nein! Ich habe allerdings ein Wohnmobil, das meinem Vorgänger in der Circusseelsorge gehört und kann dies jederzeit beanspruchen. Gerade Anfang August war ich damit für drei Tage beim Circus Nock in St. Moritz. Sehr oft bin ich aber mit meinem eigenen Auto unterwegs und komme spät in der Nacht oder besser gesagt früh am Morgen nach Hause.

Wann und wie sind Sie Priester bzw. Circuspfarrer geworden?

Ich bin im Juni 2012 zum Priester geweiht worden, und im Sommer 2014 wurde ich im Circus Knie als Circuspfarrer eingesetzt. Zu dieser speziellen Aufgabe kam ich durch die Anfrage von Ernst Heller. Er war auf der Suche nach einem Nachfolger und wurde bei mir fündig. Ich betreue, so gut es geht, alle Circusbetriebe der Schweiz.

Was unterscheidet sie bei Ihrer Arbeit mit Zirkusleuten von „normalen“ Priestern?

Ich denke, dass ich als Circuspfarrer eine grosse Flexibilität an den Tag legen muss. Viele Dinge passieren kurzfristig, und dies bedingt auch, dass ich spontan umorganisieren muss. Ein wesentliches Merkmal ist auch, dass ich zu meinen „Pfarreiangehörigen“ gehen muss, sie kommen nicht zu mir. Zum Teil fahre ich mehrere Stunden, um einen Circus zu besuchen oder einen Gottesdienst mit den Circusleuten zu feiern. Ebenfalls darf ich kein „Paragraphenreiter“ des Kirchenrechts sein! Die Circusleute leben in einer speziellen Welt und erwarten von mir eine gewisse Offenheit.

Wie haben Sie Ihren ersten Gottesdienst in der Manege erlebt?

Das weiss ich noch genau: Es war im im Wintercircus von Circus Stey. Ich war unglaublich nervös, ob ich wohl alles richtig machen würde und die Leute mich so annehmen, wie ich bin. Es kam aber sehr gut, und die Familie Stey war zufrieden.

Zuhören, trösten, zu Gott führen – wann und wo ist ein Circuspfarrer besonders nötig?

In den gleichen Momenten des Lebens wie bei Nicht-Circusleuten: Bei Todes- oder Unfällen und genauso auch bei schönen Momenten wie Geburten oder Hochzeiten. Beim Circus ist sicher die Abhängigkeit von verschiedenen Aspekten besonders, z. B. vom Wetter oder auch, ob gerade WM oder EM ist. All dies bemerken die Circusbetriebe bei den Besucherzahlen. Der Pfarrer wird oft auch einfach als Ansprechpartner gebraucht.

Welches waren lustige, berührende oder traurige Momente?

Ein ganz spezieller Moment war mein erster Gottesdienst im Circus Starlight in Porrentruy (JU). Ich lud meine Tante zum Gottesdienst ein, damit sie einige Texte auf Französisch übersetze. Doch 5 Minuten vor dem Gottesdienst teilte mir der Direktor mit, dass hier alle weder Französisch noch Deutsch sprechen. So gestaltete ich die Feier auf Deutsch. Obwohl mich die Menschen nicht verstanden, haben wir uns über das Herz berührt – fast wie ein kleines Pfingstfest! Traurige Momente sind natürlich Artisten, die viel zu früh sterben. Diese Momente fallen den Familien und Angehörigen und auch dem Pfarrer sehr schwer. Ebenfalls kämpfen viele Circusbetriebe ums Überleben: Weniger Zuschauer, teurere Kosten! Dies belastet viele Menschen im Circus in der Schweiz.

Was tun Sie im Winter?

Auch viel, denn viele Circusbetriebe haben im Winter einen Weihnachtscircus, etwa die Circusse GO, Stey und Royal. Zudem gibt es den Circus Conelli in Zürich und den Circus Salto Natale in Kloten, bei dem ich am Heiligen Abend einen Gottesdienst feiern darf. Es gibt auch viele Versammlungen der Markthändler und Schausteller. Im Januar findet jeweils das Internationale Circusfestival von Monte Carlo statt, bei dem auch eine Tagung der Circusseelsorgenden durchgeführt wird.

Als Schausteller- und Markthändlerseelsorger sind Sie u. a. im Europapark tätig. Was gehört dort zu Ihren Aufgaben?

Ich bin mit der Besitzerfamilie befreundet und darf dort diverse Veranstaltungen als Vertreter der Kirche begleiten. Dies sind Einsegnungen von neuen Fahrgeschäften, Gottesdienste zu Erntedank, im Advent oder auch zum Neuen Jahr, und es gibt auch Trauungen und Taufen – eine unglaublich tolle Aufgabe, die ich gerne mache!

Wie vereinbaren Sie Ihr 70%-Pensum als Priester in Aarau mit den Touren „Ihrer“ Zirkusse?

Das ist nicht ganz einfach! Oft kommt es zu Terminkollisionen, und meine Freizeit geht flöten. Doch mein Team in Aarau ist sehr flexibel und unterstützt mich, wo es nur geht! Ab 1. Januar 2017 darf ich neu zu 50% als Circuspfarrer und zu 50% in Aarau arbeiten. Dies sollte die Situation etwas entspannen, denn eines ist klar: Wenn ich die Seelsorge bei den Circusleuten ernst nehmen will, brauche ich mindestens 50% um meine Arbeit zu tun.

Mehr über den Circuspfarrer erfahren: http://pfarrerbolzern.ch