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Ist einer unter Euch krank?

Krankensalbung am Spitalbett

Kaum ein anderes Sakrament ist in Zeiten von Covid 19 so angezeigt wie die Krankensalbung. Aber auch kein anderes hat einen so tiefgreifenden Wandel durchgemacht wie dieses.

Von Stephan Leimgruber, Prof. em. theol.

Das Sakrament der Krankensalbung in Coronazeiten

Lange Zeit war es die «letzte Ölung», deren Empfang Angst auslöste und die Meinung verbreitete, jetzt sei das Sterben unmittelbar bevor. Wenn der Pfarrer ins Haus kam, um einer erkrankten Person dieses Sakrament zu spenden, fürchtete sich die ganze Familie vor dem Tod. Heute wird  es gemeinschaftlicher gefeiert als früher und soll die Kranken stärken und aufrichten. In Coronazeiten müssen die Abstandsregelungen eingehalten und Schutzmasken getragen werden.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt München bombardiert und in Schutt und Asche gelegt. Am Tag nach dem Bombenangriff gingen Geistliche auf das Trümmerfeld und hielten Ausschau nach Leichenteilen, denen sie mit Salböl ein Kreuzzeichen machten. Bei der jüngsten Coronapandemie in Italien sind über hundert Priester ums Leben gekommen, auch weil sie vielen todkranken Patienten das Sakrament der Krankensalbung spendeten, ohne grosse Vorsichtsmassnahmen zu treffen, als letzten Dienst an den Sterbenden! Das Sakrament galt als zwingend für die Rettung der Seele.

Heute wird das Sakrament der Krankensalbung regelmässig gespendet, sowohl in der Kirche als auch in Pflegehäusern und Spitälern. Man versucht den gemeinschaftlichen Charakter des Sakramentes zurückzugewinnen und es von unnötiger Isolation und Angst zu befreien. Deshalb wird es früher als im letzten Augenblick vor dem Tod gespendet. Es kann mehrmals empfangen werden. Sein Sinn ist vor allem eine Stärkung in Tagen des Alters und der Krankheit. Das Sakrament soll lebendig machen und neuen Lebensmut verleihen, den Glauben erneuern und vertiefen. Vorzugsweise wird es in Coronazeiten in Gruppen empfangen, etwa auf Krankenstationen oder in Werktagsgottesdiensten. In manchen Diözesen und Pastoralräumen ist die österliche Busszeit für die Feier des Krankensakramentes vorgesehen. Hierzulande gibt es in vielen Pfarreien auch Gelegenheit, sich auf den Empfang vorzubereiten und das Sakrament innerhalb der Eucharistie zu empfangen.

Krise der Sakramente heute

Weshalb haben manche Sakramente ihre Selbstverständlichkeit verloren? Sakramente passen nicht mehr gut in eine technokratische, ökonomisierte und digitale Welt. Ihre Gnadenwirkung betrifft das geistlich-spirituelle Leben und steht quer zu einem Nützlichkeitsdenken in einer weltlich gewordenen Welt. Sakramente sind für viele fremd und unnötig. Gewiss sind sie gelegentlich  oberflächlich und routinemässig abgehakt worden, statt sie mit innerer Anteilnahme zu feiern. Die Taufe wird aus Tradition erbeten, und die religiöse Kindererziehung ist schwierig geworden. Aber das Sakrament der Krankensalbung wird von vielen mit Freude und geistlichem Gewinn empfangen. Es hilft die Situation des Alters und der Krankheit besser zu tragen, anzunehmen und gibt ein gutes Gefühl des Friedens in unsicheren Zeiten.

Neutestamentliche Grundlagen

Es ist nicht so, dass die Evangelien einen expliziten Auftrag Jesu zur Spendung dieses Sakramentes aufweisen würden. Aber Jesus hat Kranke geheilt und ihnen neuen Mut zugesprochen. Er hat die Jünger ausgesandt mit dem Auftrag, in seine Fussstapfen zu treten und ebenso die Kranken zu begleiten. So heisst es im Markusevangelium, dass die Jünger «viele Kranken mit Öl gesalbt und geheilt» hätten (Mk 6,15). Und im Jakobusbrief ist eine bereits bestehende Praxis der Krankensalbung bezeugt:

«Ist einer unter euch krank, dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich, sie sollen Gebete über ihm sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben» (Jakobusbrief 5,14-15).

Die Krankensalbung ist also in der frühen Kirche geübt und mit Jesus Christus in Zusammenhang gebracht worden. Sie gehört zu den sieben Sakramenten der katholischen Kirche (Taufe, Kommunion, Busse, Firmung, Priester, Ehe, Krankensalbung) und kann, muss aber nicht, mit dem Sakrament der Versöhnung kombiniert werden.

Verschiedene Wege und eine Spendeformel

Es gibt heute mehrere Wege, das Sakrament der Krankensalbung zu feiern. Seit dem Konzil wird vermehrt der ekklesiale Charakter betont, weshalb sie eigentlich in den Gemeindegottesdienst hineingehört. Die ganze Gemeinde sorgt sich durch Gebet und Taten um die Kranken. Sinnvoll ist ein Spezialgottesdienst in der Pfarrei für die älteren Menschen, auch für jene, die vor einer Operation stehen. Da viele ältere Personen mit dem Rollator unterwegs sind, legt sich ein geeigneter Ort ohne Treppen nahe. Natürlich sind auch Alters- und Pflegeheime Orte, wo dieses Sakrament hingehört: sei es in der Hauskapelle, auf der Station oder individuell am Krankenbett. Auch Angehörige können daran teilnehmen. Nicht zuletzt sei der Einzelempfang erwähnt, der bis jetzt fast die einzige Variante dieses Sakraments war.

Wie geschieht die Krankensalbung?

Am Beginn der kleinen Feier soll eine Schriftlesung stehen, denn Wort und Sakrament gehören stets zusammen. Ja, das Wort Gottes hat auch sakramentalen Charakter. Es ist ebenso wichtig wie das Brot des Lebens. Beides gehört zusammen. Es folgen Gebete wie das Vaterunser, das beliebte Bruder-Klausen-Gebet oder der Engel des Herrn. Die Empfangenden bereiten ihre Hände vor und die Stirne. Der Priester, der seine Hände desinfiziert hat, macht ein Kreuz auf die Stirn mit Salböl, das vom Bischof in der Chrisammesse geweiht worden ist. Dann öffnen die Teilnehmenden ihre Hände und emfpangen ein Kreuz mit Öl in die offene linke und rechte Hand. Dabei spricht er die Spendeformel:

«Durch diese heilige Salbung helfe dir Gott in seinem Erbarmen. Er stehe dir bei mit der Kraft des Hl. Geistes. Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.» Antwort «Amen.»

Mit einem gemeinsamen Gebet oder Lied des Dankes kann der Gottesdienst beendet werden. Vielleicht fügt sich ein Austausch mit Tee und Kuchen an. Und es geht zurück in den Tag.

Gebet

Komm zu diesem Kranken
Du
Heil der Kranken
Ich nehme dich beim Wort
Und bitte Dich

Komm zu diesem Kranken
Lass ihn erfahren
dass Du sein Heil bist
dass Du da bist
leibhaft nahe
auch durch mich

Nimm den kranken Leib in Deine Hände
und richte ihn auf
Drück die wunde Seele an Dein Herz
und heile sie
Berühr den fragenden Geist
und erwecke ihn zu neuem Leben

A. Rotzetter: Gott der mich atmen lässt (S. 126f.)