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Amoris Laetitia - Liebe, Integration, Gewissen

Bischof Felix zu "Amoris Laetitia".

Liebe Schwestern und Brüder

„Amoris Laetitia“, das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus, berührt, bewegt, fordert heraus und macht Freude. Diese Freude teile ich gerne mit Ihnen. Anhand von fünf Stichworten zeige ich auf, was mich bewegt.

Liebe

Das Wichtigste in der Familie, Beziehung, Partnerschaft, ja im ganzen Leben ist die Liebe. Man spürt förmlich, dass der Papst aus Gottes Liebe lebt und die Menschen gern hat. Das Schreiben ist voller Liebe und Lebensfreude und einem Verständnis der Sexualität als Teilhabe an der Fülle des Lebens in der Auferstehung. Die Liebe ist der Schlüssel zur Freude und zu einem glücklichen Leben.

Realismus

Die Liebe ist ein Ideal. Oftmals ist sie Wirklichkeit, häufig aber auch nicht. Der Papst weiss um die Brüchigkeit der Liebe. Gerade deshalb ist er einfühlsam gegenüber konkreten Situationen, Herausforderungen und Schwierigkeiten von Menschen in Partnerschaft und Familie. Er schaut auf sie, so wie sie sind. Der Text kennt die Lebensrealitäten und spricht sie an. So wie sie sind. „Die Wirklichkeit steht über der Idee“, heisst es schon in „Evangelii gaudium“. Wenn das Ideal losgelöst von der Realität ist, verliert es seine Kraft. Wir müssen deshalb von unseren wirklichen Lebensumständen ausgehen und von hier aus dem Ideal der Liebe entgegenstreben. Das gilt auch für die Partnerschaft. Das Ideal der Ehe in verlässlicher und treuer Partnerschaft bleibt. Es ist gut. Es ist aber keine abstrakte Idee, sondern das Ideal, welches inspiriert, herausfordert, auffordert, Ziel ist. Familien und Partner sind auf dem Weg dorthin.

Integration

Der Weg der Kirche ist ein Weg der Integration. Die Kirche hat nicht den Auftrag auszuschliessen, sondern einzuschliessen. Das gilt besonders für die Menschen, deren Lebensform objektiv „irregulär“ ist. Aber wessen Lebensform ist schon in allem „regulär“? Der Papst plädiert für eine neue Sicht. Zunächst sind alle Getaufte, Brüder und Schwestern, beschenkt durch vielfältige Gaben und Talente. Niemand ist perfekt, also völlig „regulär“, und niemand ist völlig „irregulär“ und aus der Kirche ausgeschlossen. Der Schlüssel, der öffnet, funktioniert nach der Logik der Integration. Sie ist der Schlüssel zu einer angemessenen Seelsorge für alle.

Gewissen

Angesichts der unterschiedlichen und komplexen Situationen sind neue Regelungen, z.B. für den Empfang der Sakramente, nicht möglich. Man könnte sowieso nie allen Situationen gerecht werden. Das Gewissen spielt hier eine entscheidende Rolle. Die Kirche kann das Gewissen der einzelnen nicht ersetzen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die Gewissen zu bilden. Die Menschen sind dann in der Lage, selbst zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen, so zum Beispiel beim Kommunionempfang. Hier betont der Papst, dass die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen ist, sondern ein grosszügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.

Unterscheidung der Geister

Gewissensentscheide fallen nicht vom Himmel. Sie verlangen, dass eine Situation, ein Wunsch, eine Begebenheit immer wieder neu bedacht und überlegt wird. Was will ich? Was hat das für Auswirkungen auf meine Familie? Verletze ich jemanden? Verhilft es mir zum Glück? Das Unterscheiden ist ein persönlicher Prozess und gleichzeitig ein interaktives Geschehen. Es geschieht allein mit und vor Gott, in der Partnerschaft, mit Freunden, mit dem Priester und der Seelsorgerin. Richtschnur ist auch hier die Logik der Liebe und der Integration.

Das päpstliche Schreiben ist flüssig und in einer wohltuenden Sprache verfasst. Es schliesst ein, nicht aus. Es redet nicht über erlaubt‑verboten, sondern ist viel umfassender und appelliert an das eigene Gewissen. Und es ist nie fade. Denn es ist spannend, bei sich anzufangen und die „Geister zu unterscheiden“. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre!

+Felix Gmür, Bischof von Basel